RUSH HOUR

RUSH HOUR

Es ist Donnerstag, 11:30 Uhr: Ich sitze in meinem Lieblingscafé und überlege zum 26. Mal diese Woche, was ich Dir schreibe.

 

Ich bin nicht ganz auf der Höhe. Warum weiß ich nicht, ich bin lethargisch und fühle mich gleichzeitig stark unter Druck. Ich bin emotional und denke an Menschen, die sich nicht mehr an meiner Seite befinden – aus unterschiedlichen Gründen – und was diese Gedanken mit mir machen. Ich bin in Situationen mit ihnen, empfinde Freude, Trauer und Sehnsucht.

 

Im selben Moment denke ich daran, was ich diese Woche noch erledigen muss und in der kommenden Woche bevorsteht. 
Und ich merke, ich bin eigentlich gar nicht richtig hier, gar nicht im Jetzt: Es ist die Zukunft oder die Vergangenheit.

 

Wie oft geht uns das so? Beim Sport denken wir über den Einkauf nach, beim Mittag über das, was wir am Abend anziehen, beim Abendessen über den nächsten Tag und die folgenden To-dos.
Ich erwische mich in letzter Zeit oft dabei, nicht richtig hier zu sein, nicht zu 100 % zuzuhören, nicht 100 % bei mir zu sein.


Also hole ich einmal tief Luft und probiere die Situation hier wahrzunehmen: Ich bin umgeben von Menschen an Laptops, mit Handys, mit Kopfhörern und frage mich, was sie wohl denken, ob sie bei der Sache sind oder sich auch – wie ich gerade – durchs Leben hetzen ohne die kleinen Dinge wahrzunehmen.

 

Wie oft leben wir mit unseren Gedanken in der Vergangenheit, basierend auf Glaubenssätzen und Überzeugungen, die wir vor ein paar Monaten, Jahren hatten, aus unserer Vergangenheit, dem, was wir erlebt haben. Auch ich muss mich davon lösen. Ich bin nicht mehr dieselbe Person wie vor 2 oder 3 Jahren. Ich habe Erfahrungen gemacht, schmerzhaft oder schön, voranbringend oder auf der Stelle trappelnd, alle haben mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin.

 

Und jetzt im Ernst: Wie kann ich mich mit der Franzi aus 2019 vergleichen, wo ich doch gar nicht mehr diese Franzi bin? Ich bin gescheitert, hatte Erfolge, bin gewachsen, habe mich entwickelt. Diese Frage und die Antwort dazu müssen wir uns viel öfter stellen und vor Augen halten, sie verinnerlichen:

 

Ich bin jetzt und nur jetzt zählt!
Ich probiere meine Gedanken zu sammeln und es gelingt mir:
Ich kenne diese Phasen. Wir alle haben sie, mit dem Weitblick, dass in ein paar Tagen alles wieder „normal“ ist (was auch immer normal für jeden einzelnen bedeutet), ist es erträglich, aber dieser stellt sich nicht immer sofort ein und jetzt, im gefühlten Moment, ist alles zäh, langsam, zu wenig.

Mit der Zuversicht, dass es morgen besser ist, werde ich jetzt alles, was wichtig ist, erledigen und mich dann voll und ganz der Person widmen, die ich gleich treffen werde.